Persepolis war die größte und schönste Stadt der Welt, als Alexander der Große 330 v. Chr. vor ihren Mauern stand. Drei Monate später zerstörte ein von Alexander befohlener oder verursachter Brand die prachtvollste Stadt, die jemals von Menschenhand erbaut worden war: Mauern stürzten ein, Statuen und Säulen wurden zerstört; die Goldüberzüge der Statuen und des Throns schmolzen, und von Persepolis blieben nur Ruinen, die bis heute rund 50 km von der Stadt Shiraz im Iran überdauern.

Aquileia war eines der größten und blühendsten Politik-, Verwaltungs- und Handelszentren des Römischen Reichs. Es hielt den Einfällen Alarichs stand, nicht jedoch Attila, der dank des Einsturzes einer Festungsmauer am 18. Juli 452 n.Chr. in die Stadt gelangte, sie zerstörte und der Legende nach Salz auf ihre Ruinen verstreuen ließ.

Fast acht Jahrhunderte später wird die Erinnerung an zwei bedeutende Metropolen, die beide dem Eisen und Feuer zum Opfer fielen und nunmehr Teil des Kunst-, Kultur- und Suggestionserbes der gesamten Menschheit sind, heute mit „Löwen und Stiere aus dem antiken Persien in Aquileia“ zur konkreten Wirklichkeit. Die Ausstellung ist vom 25. Juni bis 30. Oktober 2016 im Archäologischen Nationalmuseum in Aquileia zu sehen und wird von der Stiftung Aquileia in Zusammenarbeit mit dem Musealen Zentrum der Region Friaul-Julisch Venetien, dem Iranischen Nationalmuseum und der Iranian Cultural Heritage Handcrafts and Tourism Organization durchgeführt.

Damit wird der Ausstellungszyklus „Archeologia Ferita“ (Verwundet Archäologie) fortgesetzt, für den im vergangenen Jahr bedeutende Exponate aus dem tunesischen Bardo-Museum nach Aquileia gebracht wurden und der große Anerkennung von Publikum und Kritikern erhielt. Der Vorsitzende der Stiftung Aquileia, Antonio Zanardi Landi, schreibt wie folgt: „Die Ausstellung ist der achämenidischen und sasanidischen Kunst gewidmet. Sie enthält wertvolle Stücke aus den Achäologischen Nationalmuseen in Teheran und Persepolis und es besteht kein direkter Bezug zu den tragischen Ereignissen der jüngeren und aktuellen Geschichte im Mittelmeerraum und dem Nahen Osten. Auch hier handelt es sich um Verwundet Archäologie, doch um die Urheber der Verletzungen und Zerstörung der Hauptstadt des Reichs Dareios‘ zu finden, müsste man bis ins 4. Jahrhundert v. Chr. und Alexander dem Großen zurückgehen; sehr weit entfernt also vom Terrorismus unserer Zeit und der Gewalt, deren Wurzeln wir nur sehr schwer begreifen. Bei genauerer Betrachtung ist jedoch ein großer Teil des archäologischen Welterbes ebenfalls einer Verletzung, Verwüstungen oder dem Willen zuzuschreiben, die Identität des Gegners oder einfach nur des Anderen zu vernichten. Aquileia ist sowohl ein Symbol des Zusammenlebens in den ersten Jahrhunderten nach Christi, als auch der Verwüstung durch Attila und die von Osten einfallenden Völker, für die Aquileia sehr lange Zeit Tür und Zugangspforte gewesen war.“

Und so schließt sich der Kreis, denn das gleiche Schicksal ereilte die nur wenige Kilometer von Tunis entfernte Stadt Karthago, wo sich das Bardo-Museum befindet.

Die Ausstellung wird am 25. Juni im Archäologischen Nationalmuseum eröffnet und möchte unterstützend für die Wiederaufnahme des Dialogs und das neuerwachte Interesse für die Islamische Republik Iran wirken, die ein wichtiger Partner in Sachen Kultur, Politik und Wirtschaft ist, wie Masoud Soltanifar, Vizepräsident der Islamischen Republik Iran und Präsident für Kulturgüter, Handwerk und Tourismus, unterstreicht: „Die Durchführung von Ausstellungen wie dieser unter den derzeitigen Bedingungen zeugt von der Bedeutung, die wir der Erhaltung und der einschränkungslosen Zugänglichmachung des gemeinsamen Weltkulturerbes beimessen. Ein Erbe, das jahrtausendalte Beziehungen der verschiedenen Völker verdeutlicht, denen die gemeinsamen Wurzeln der Kulturen und der heutigen Zivilisation zugrunde liegen; ein gemeinsames Erbe, als Zeichen des Friedens und der Freundschaft zwischen den Völkern, in der Vergangenheit wie auch heute“.

„Die Initiative zeigt“ – so die Anmerkung der Präsidentin der Region Friaul-Julisch Venetien – „dass sowohl im Iran, als auch in Italien die Kunst und Kultur als unverzichtbare und solide Basis für die Entwicklung jeder anderen Art von Beziehung angesehen werden. Jedes nur auf unwesentlichen politischen Initiativen oder wirtschaftlichen Vorteilen aufgebaute Wagnis kann sich rasch als flüchtig erweisen. Eine kulturelle Veranstaltung wie die in Aquileia besitzt allein aufgrund ihrer Natur das Potential, eine kleine Spur zu hinterlassen – und zwar nicht nur auf dem Papier und in den behördlichen Akten, sondern auch im Herzen und im Geist der Menschen“.

Nicht zuletzt ist der Iran ein Land, an dem das Interesse Italiens auch in den schwersten und schwärzesten Jahren niemals abriss, wie der Minister Dario Franceschini erinnert: „Nach dem Zweiten Weltkrieg verstärkten sich die Beziehungen der beiden Länder und ermöglichten so einigen bedeutenden italienischen Archäologen die Durchführung bedeutsamer Ausgrabungen“.

Und tatsächlich sind allen Insidern die Arbeit und Entdeckungen der italienischen Restaurateure des IsMEO gegenwärtig, die von 1964 bis 1979 unter der Leitung von Giuseppe und Ann Britt Tilia im Einsatz waren, wie Pierfrancesco Callieri in seinem Katalog-Essay (Verlag Allemandi) erzählt. Noch heute sind sehr viele italienische Archäologen im Iran tätig.

Ganz zu schweigen davon, dass es Giosafat Barbaro, ein Gesandter der Republik Venedig war, der als erster Europäer die Ruinen Persepolis‘ besuchte. „Barbaro steht symbolisch für die besondere und solide Beziehung, die Venedig und das Persische Reich im Laufe des Spätmittelalters und der Neuzeit verband. Dieses antike Band zwischen der Republik Venedig (d.h. Italien) und Persien war später Grundlage für die Beziehungen des italienischen Einheitsstaats und dem Iran“ erinnert Minister Franceschini. 

„Zudem“ wie Luca Caburlotto, Direktor des Musealen Zentrums Friaul-Julisch Venetiens hinzufügt „misst sich die enorme Bedeutung des Archäologischen Nationalmuseums (nach der Ausstellung der Kunstschätze des Bardo-Museums) erneut mit der großen Geschichte der Antike und deren wertvollsten uns überlieferten Überresten; nur diesmal stammen sie aus Persien, einem Gebiet, das ebenfalls stark mit dem Mittelmeerraum verbunden ist. Mit Hilfe des „direkten Dialogs“ im Museum stellt die Ausstellung verschiedene Zivilisationen einander gegenüber; diese bereichernde und stimulierende Methode bietet zudem auch die Gelegenheit zu prüfen, wie sich die dauerhaft ausgestellten Meisterwerke gegen die vorübergehenden Exponate „behaupten“.“ 

Städte mögen zerstört und sogar dem Erdboden gleich gemacht werden, doch das künstlerische und architektonische Wissen, die Kultur sowie religiöse und nicht-religiöse Symbole überdauern, ja, sie können sogar „weiterziehen“ und sich mit denen anderer Völker vermischen, deren Land, Wurzeln und Ursprünge nicht weiter entfernt von ihnen sein könnten. 

Es ist ungemein wichtig, uns heute vorzustellen, was Alexander der Große gedacht haben mag, als er vor dem großen, von Xerxes errichteten „Tor aller Länder“ stand, vor den 72 Säulen, die den Apadana von Dareios I. trugen und vor den überreichten Verzierungen mit feinsten Reliefs. In ganz Griechenland gab es kein Bauwerk, das der Pracht dieser Königspaläste und der imposanten Treppe des Tripylon, an deren oberem Ende sich drei Tore befanden, gleichzusetzen gewesen wäre.

Der Prunk des Persischen Hofs lässt sich ebenfalls am Staunen der griechischen Schreiber erkennen. Aber auch anhand der archäologischen Funde aus dem Schatzhaus von Persepolis – bei denen es sich wohlgemerkt nur um die kläglichen Überreste nach der makedonischen Plünderung handelt – und an der großen Menge an Artefakten der angewandten Kunst (Geschirr, Waffen, Schmuck und Ornamente) die an verschiedenen Orten der Hochebene und in Asien ausgegraben wurden.

Einige wertvolle Artefakte der Ausstellung in Aquileia bieten ein Beispiel für diesen Reichtum und die Merkmale der Kunst am persischen Hof und zeigen in gewisser Weise deren Ursprünge, Entstehung und Reifeprozess auf: hier stellen die im Ausstellungstitel genannten Stiere und Löwen nicht nur eine Verbindung mit der mesopotamischen und elamischen Tradition dar, sondern auch mit der Traditionen der iranischen Welt zur Eisenzeit, wo sehr viele tierische Elemente verwendet werden, die mit dem nomadischen Ursprung verknüpft sind.

Die wertvollen Ausstellungsstücke decken eine recht große Zeitspanne ab und sind Zeitzeugnisse zwei zentraler Dynastien im vorislamischen Iran: Achämeniden und Sasaniden. Doch abgesehen von ihrem enormen kunsthistorischen Wert, was ihnen den Status wirklich außergewöhnlicher Leihgaben verschafft, handelt es sich auch um Kunstobjekte von seltener Schönheit.

Die Besucher werden verzaubert sein vom Rhyton in Form einer Protome eines liegenden, geflügelten Löwen, dessen Körper in einem halbkegelförmigen Kelch mit konzentrischem Rillendekor endet, dessen oberen Rand ein Fries aus Lotusblüten und Knospen ziert.  

Die feinen Details (das geöffnete Maul mit erkennbaren Zähnen und heraushängender Zunge, die hervorstehenden Augen mit zwei Schwellungen am Ansatz, die realistischen anmutenden Krallen, die lineare Muskulatur sowie die großen, oben abgerundeten Flügel mit drei verzierenden Federreihen) lassen das Objekt eher zu einem Meisterwerk der Kunst als des Handwerks werden. Gleiches gilt auch für den ebenfalls aus Gold gefertigten Dolch, dessen Tierverzierungen (ebenfalls Löwen) an den Enden eines prachtvollen Armreifs wiederverwendet werden; auch hier handelt es sich um Protoma brüllender Löwen mit heraushängender Zunge: die Gesichtsmuskeln wie auch die hervorstehenden Augen sind durch Schwellungen hervorgehoben, während die Stirn zwei mit runden Elementen markierte Furchen besitzt. Die Mähne mit schuppigen Verzierungen besteht aus dreieckigen Elementen mit abgerundeter Spitze und stellt die Verbindung zu einem – ebenfalls der Ausstellung angehörenden - Armreif dar.

Und selbst wenn wir nicht wissen, was in Alexander dem Großen vorging, als er vor den 72 Säulen des Apadana (großer Audienzsaal in Persepolis) stand, so können wir es uns zumindest ansatzweise vorstellen, wenn wir die beiden Bruchstücke eines riesigen Säulenkapitells betrachten, die in Aquileia ausgestellt sind.

So wie wir uns auch die Löwenjagd vorstellen können, wenn wir die feinen Reliefs eines Silbertellers mit noch vorhandenen Spuren von Gold betrachten, oder uns die Löwenfriese auf einem Wägestück in Staunen versetzen, das vielleicht einige der unzähligen Gaben gewogen hat, die aus der ganzen damals bekannten Welt eintrafen. So wie uns die Drehbewegung dreier spazierender Löwen verzaubert und die nüchterne und zugleich perfekte Natürlichkeit der anatomischen Beschreibung eines Objekts, das einen Zylinder bedeckte, der vielleicht Teil eines Möbelstücks war oder als Stütze diente.

Wie viel von dieser Kunst tatsächlich bis zu uns gelangte, ist leicht zu verstehen. Schon ein Blick auf die Linien und das Muster des offenen Armreifs mit zylinderförmigem Querschnitt und den als Löwenköpfen gefertigten Enden würde genügen, um zu verstehen, wie häufig wir – bisweilen unbewusst - im täglichen Leben noch immer eine Kunst mit ihren Symbolen und Werten reproduzieren, die von so weit her kommt. 

Sie stammt von dem, was man im Namen einer vorgeblichen Überlegenheit – oder, wie bei Alexander dem Großen, als Rache für den Brand von Ephesos und die Verwüstung der Heiligtümer von Athen durch Xerxes - zu zerstören oder zu vernichten suchte, und das hingegen selbst heute noch zu uns spricht und erzählt und uns vor allem Hoffnung vermittelt.

„Daher ist die von der Stiftung Aquileia angebotene Ausstellung von größter Bedeutung, da sie zum ersten Mal seit der Unterzeichnung des Nuklearabkommens die Möglichkeit bietet, Fundstücke aus Persepolis und dem Nationalmuseum in Teheran auch in Europa zu bewundern, uns dies lässt uns hoffen und an eine markante Verstärkung der politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Beziehungen zwischen Europa, unserem Land und der Islamischen Republik Iran glauben“ merkt Minister Franceschini an.

Die Ausstellung wird in Zusammenarbeit mit der Stiftung Bracco und dank der Zuschüsse von Danieli & C. Officine Meccaniche S.p.A., G.S.A. S.p.A. und Allianz, Faber Industrie S.p.A., der Handels-, Industrie-, Handwerks- und Landwirtschaftskammer Udine, Pasta Zara S.p.A., Saf Autoservizi Fvg S.p.A., Despar, Banca di Credito Cooperativo von Fiumicello und Aiello, Confindustria Udine, der Stiftung Fincantieri, Salp S.p.A., Fantoni S.p.A., I.Co.P. S.p.A, SNAB Sicurezza e Sorveglianza Diurna e Notturna soc. coop. durchgeführt.

INFORMATIONEN

Ausstellungstitel: Löwen und Stiere aus dem antiken Persien in Aquileia

Dauer: 25. Juni 2016 – 30. Oktober 2016

Sitz:  Archäologisches Nationalmuseum Aquileia, Via Roma 1, 33051 - Aquileia (UD)

Öffnungszeiten: Dienstag bis Sonntag: von 8.30 bis 19.30 Uhr

Eintritt zum Museum: 7,00 € (voll) ;  3,50 € (ermäßigt)

Weitere Infos und Details unter:    http://www.museoarcheologicoaquileia.beniculturali.it; http://www.fondazioneaquileia.it